Mein Vater und die Edelweißpiraten

Mein Vater, der Edelweißpirat

Zum Gedenken an meinen Vater Werner Stein, einen Kameraden der Gladbecker Edelweißpiraten.

Die Edelweißpiraten haben meinen Vater stark geprägt, was er an mich und meinen Bruder weitergegeben hat – seinen Anarchismus und seine grenzenlose Freiheitsliebe.

Ich weiß seit einigen Jahrzehnten, dass mein Vater zu den Edelweißpiraten gehörte. Aber erst jetzt, etwa zweieinhalb Jahre nach seinem Tod, habe ich erfahren, wer die Edelweißpiraten waren.

Das verdanke ich meiner ehemaligen Mitbewohnerin, mit der ich mir ein kleines idyllisches Häuschen mit Garten geteilt habe. Sie erzählte mir von ihrer Zeit als Pfadfinderin und von den Edelweißpiraten.

Nur bei den Pfadfindern wurden diese tapferen jungen Menschen niemals wirklich vergessen.

Bündnisse gegen das Hitler-Regime

Mein Vater hat mir schon sehr früh erzählt, dass er zum Widerstand gegen das Hitler-Regime gehörte. Aber ich habe ihn damals leider nicht ernst genommen.

Die Bündnisse gegen Hitler kannten wir doch alle, spätestens seit dem Geschichtsunterricht.

Alle ennen die Geschwister Scholl und die Weiße Rose. Nach den Geschistern Scholl wurden viele Straßen und Schulen benannt. Mein Bruder und ich gingen auf die Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Gladbeck-Brauck und meine Tochter besuchte das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Daun.

Auch Graf von Stauffenberg und seine Verbündeten sind bekannt.

Aber von den Edelweißpiraten hatte damals noch keiner etwas gehört. Daher dachte ich: Ja klar, hinterher will es niemand mehr gewesen sein!

Arbeiter wurden damals sehr gering geschätzt

Ich habe damals sogar im Lexikon nach den Edelweißpiraten gesucht. Aber auch dort wurden sie nicht erwähnt.

Meine weitere Suche wurde auch noch dadurch erschwert, dass mein Vater selber immer von den Edelweißstenzen erzählte, auch wenn er in seinen Liedern immer von den Edelweißpiraten sang. Also habe ich unter Edelweißstenze gesucht und bis vor wenigen Wochen nichts darüber gefunden.

Denn die Edelweißpiraten im Westen des Ruhrgebiets nannten sich selber Edelweißstenze oder einfach nur Stenze, oft auch Navajos.

Als Stenz wurde der Wanderstab der fahrenden Handwerker bezeichnet.

Als mir dann meine Mitbewohnerin von den Edelweißpiraten erzählte, suchte ich im Internet nach ihnen. Erst in den 80er Jahren hat man sich wieder an den größten Widerstand im Dritten Reich erinnert.

Die völlige Missachtung und Ignoranz gegenüber der Arbeiterklasse war zu der damaligen Zeit allgemein üblich.

Denn diese mit Abstand größte deutsche Widerstandsbewegung gegen das Nazi-Regime bestand hauptsächlich aus der Arbeiterklasse, dem sogenannten Proletariat und im Ruhrgebiet aus Bergmannsfamilien und einigen Familien der Stahlarbeiter.

Die jungen Menschen heutzutage können das vermutlich nicht mehr nachvollziehen. Aber ein Arbeiter war sogar in Nachkriegszeiten ein Niemand, ganz besonders in den ländlichen Gebieten.

Sogar ich wurde in den 70er Jahren noch von einigen Lehrern auf dem Gymnasium in Mechernich gemobbt. Mir und meiner Mutter wurde von diesen Lehrern sehr deutlich gemacht, dass sie nicht wollen, dass ein Arbeiterkind sein Abitur macht und studiert. Das ist heute zum Glück anders.

Freiheitsliebe und Anarchismus

Es kommt mir so vor, als wenn ich einen der wichtigsten Lebensabschnitte meines Vaters erst nach seinem Tod kennenlernte.

Nachdem ich von den Gladbecker Edelweißpiraten gelesen habe, war es für mich völlig verständlich, dass mein Vater einer von ihnen war. Denn er war ein extrem freiheitsliebender und mutiger Mensch, ein Vollblut-Anarchist und ein Abenteurer. Das habe ich immer an meinem Vater geliebt.

Ich bedaure heute sehr, dass ich diesen wichtigen Lebensabschnitt meines Vaters erst nach seinem Tod kennengelernt habe. Mein Vater hat so viel aus seiner Jungend erzählt. Ich hätte ihn so gerne über die Edelweißpiraten ausgefragt, damit er mir alles über sie erzählt. Er hat oft von den Navajos geredet. Aber für mich waren Navajos damals ein indigener Stamm in Mittelamerika.

Kurz nach dem Tod meines Vaters suchte ich im Internet nach allem, was ich über die Edelweißpiraten erfahren konnte.

Auf einmal ergab alles einen Sinn

Ich verstand auf einmal so viel von all dem, was mein Vater von sich erzählt hat. Er konnte stundenlang über seine Jugend erzählen. Aber meine Mutter war beim Bund deutscher Mädchen und konnte gar nichts erzählen, weil sie dort rein gar nichts erlebt hat.

Mein Vater erzählte oft von seinen Erlebnissen mit seinen Kameraden am Rhein-Herne-Kanal oder wie er mit seinen Kameraden mit dem Fahrrad an den Baldeneysee zum Zelten fuhr. Keine einzige seiner Erzählungen handelte von der Hitler-Jugend. Mir war das damals überhaupt nicht aufgefallen.

Wie es bei den Edelweißpiraten damals üblich war, hatte mein Vater Spitznamen.

Mein Vater hatte pechschwarze Haare und war immer extrem braun. Deshalb nannte man ihn meistens „Schwatter“, das bedeutet Schwarzer. Oder man nannte ihn deshalb auch „Zigeuner“.

Das Wort Zigeuer wurde damals noch nicht als abfällig angesehen, im Gegenteil. Ich kenne noch die Zeiten der sogenannten Zigeuner-Romantik. Das Wort Zigeuner wurde damals eher mit einem freien und bunten Leben verknüpft.

Mein Vater erzählte so gerne die Geschichte, wie er und sein älterer Halbbruder zwei Polizisten der Gestapo spät abends im Dunkeln an einer Hausecke auflauerten. Sie haben ihnen Kohlprengel (abgeerntete Strünke vom Rosenkohl), an dessen Wurzeln noch richtig viel Erde hing, um die Ohren gehauen. Dabei sind deren Helme vom Kopf geflogen. Dann sind mein Vater und sein Halbbruder ganz schnell weggerannt und wurden nicht erwischt.

Eigentlich war dieses Ereignis eine Verwechslung. Denn die Kohlprengel waren für zwei Hitlerjungen gedacht, die meinen Vater und seinen Halbbruder verfolgten.

Wenn mein Vater diese Geschichte erzählte, lachte er dabei immer so herzlich, so dass jeder mitlachen musste. Dabei sah man immer seine beiden Grübchen.

Mein Vater und die Gestapo

Jetzt ergab es für mich auch endlich einen Sinn, dass mein Vater im Alter von 15 Jahren von der Gestapo verschleppt wurde. Meine Tante Lotti war schon mehr als 60 Jahre alt, als sie immer noch weinte, wenn man darüber sprach, wie ihr älterer Bruder einfach von der Gestapo aus seiner Familie gerissen und zur Kriegsmarine verschleppt wurde.

Als ich meinen Vater nach dem Grund dafür fragte, antwortete er immer nur: „Die Gestapo hat mich damals abgeholt, weil ich nicht zur Hitlerjugend wollte“.

Auch nach dem Kriegsende galten die Edelweißpiraten immer noch als Kriminelle. Und kriminell sein war nichts, worauf man sonderlich stolz war. Deshalb hat mein Vater lieber verschwiegen, dass er ein Edelweißpirat war.

Die Gestapo hat meinen Vater in ein sogenanntes „Wehrertüchtigungslager“ der Kriegsmarine nach Peenemünde an die Ostsee verschleppt.

Dieses Lager erinnerte eher an ein Straflager, in dem man meinen Vater und seine Kameraden in unmenschlicher Härte für die Front drillte. Keiner der Jungs war bei seiner Verschleppung älter als 15 Jahre.

Mein Vater sagte im Original-Ton über das Lager: „Wir sollten für Hitler als Kanonenfutter verheizt werden.“

Die Kameraden aus dem Lager. Mein Vater ist in der 2. Reihe, 6. von rechts.
Der heldenhafte Kommandant sitzt unten in der Mitte.

Die Rettung meines Vaters

Mein Vater sprach oft über die Kameradschaft und den Zusammenhalt in diesem Lager. Doch am liebsten erzählte er von dem Kommandanten, der ihn und seine Kameraden gerettet hat. Leider habe ich seinen Namen vergessen, denn er war ein wahrer Held.

Dieser Kommandant weckte die Jungs mitten in der Nacht. Sie sollten am nächsten Morgen an die Ostfront transportiert werden und dort als Kindersoldaten an vorderster Front kämpfen.

Der Kommandant hat den Jungs ihre Spinde aufgeschlossen, damit sie ihre Zivilkleidung anziehen konnten. Er gab ihnen Karten und einen Kompass. Sie sollten auf dem schnellsten Weg nach Hause flüchten.

Dabei sollten die Jungs nur nachts marschieren und sich tagsüber in den Wäldern versteckt schlafen. Denn falls sie gefunden werden, würden die eigenen Leute sie als Fahnenflüchtige erschießen. Und die Aliierten würden sie in ein Kriegsgefangenenlager sperren.

So kam mein Vater kurz vor Kriegsende wieder zu seiner Familie zurück. Das Ruhrgebiet war damals völlig zerbombt.

Mein Vater meinte, dass dieser Kommandant vermutlich für seinen „Verrat“ erschossen wurde. Für mich ist dieser Kommandant ein wahrer Held! Männer wie er sollten niemals vergessen werden. Aber er wurde vergessen.

Die Lieder der Edelweißpiraten

Mein Vater sang oft die alten Lieder der Edelweißpiraten. Eines seiner Lieblingslieder war „Hohe Tannen“.

Bei der ersten Stophe sang er allerdings einen anderen Text:

Hohe Tannen, es leuchten die Sterne,
an der Isar entspringende Flut,
liegt das Lager der Edelweißpiraten,
doch du Rübezahl hütest es gut.

Dann warnte meine Mutter sofort: „Leise, leise! Das Lied ist doch verboten!“

Deshalb dachte ich damals, Edelweißpiraten hätten etwas mit den Nazis zu tun. Denn warum sollte es sonst verboten sein, über sie zu singen.

Besonders inbrünstig sang mein Vater das Lied „Wilde Gesellen“. Ich werde niemals seinen Gesichtsausdruck dabei vergessen. Seine Augen leuchteten, als würde er sich an wunderschöne vergangene Zeiten erinnern.

Und auch bei diesem Lied schimpfte meine Mutter, dass es doch verboten wäre, dieses Lied zu singen. Und wieder dachte ich: Dann ist dieses Lied ganz bestimmt eines der verbotenen Nazi-Lieder.

Doch mein Vater lachte dann immer und sagte: „Ach Mutter, dieses Lied ist doch gar nicht mehr verboten.“ Im Dritten Reich war es tatsächlich verboten die Lieder der Edelweißpiraten zu singen.

Der Einfluss der Edelweißpiraten auf meinen Vater

Ich bin mir sicher, dass die Zeit mit den Gladbecker Edelweißpiraten meinen Vater sehr stark geprägt haben.

Er liebte die Natur über alles.

Es konnte alle Bäume und Pflanzen benennen. Er erkannte alle Raubvögel an ihrer Silhouette und konnte anhand der Spuren erkennen, welches Tier an einer Stelle einmal entlanggelaufen ist.

Mein Vater zeigte mir auch alle essbaren Pflanzen und Pilze.

Im Zweiten Weltkrieg hat man im Ruhrgebiet ganz besonders extrem gehungert. Deshalb war damals das Wissen über alles Essbare in der Natur so wichtig.

Als ich etwa zwölf Jahre alt war, schenkte mir mein Vater sein altes Fahrtenmesser. Dabei bemerkte ich, dass dieses Fahrtenmesser etwas besonders Wertvolles für ihn war. Heute verstehe ich endlich warum.

Mein Vater spielte auch ganz wunderbar Gitarre. Bei uns Zuhause wurde sehr viel musiziert und gesungen. Dabei sang mein Vater besonders häufig Heimat- und Fahrtenlieder.

Mein Vater liebte seine Heimat

Trotz seiner Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus hat mein Vater sich niemals dazu verleiten lassen, Deutschland und die Deutschen zu verachten oder gar zu hassen.

Im Gegenteil! Mein Vater verachtete alle Deutschen, die antideutschen Faschismus mit Antifaschismus verwechseln. Er bezeichnete diese Leute, besonders solche Politiker verächtlich als „Nestbeschmutzer“.

Mein Vater war ein wahrer Antifaschist. Er beurteilte jeden Menschen anhand seiner Taten und nicht anhand seiner Ethnie, seiner Nationalität oder seiner politischen Sichtweise.

Ich bin froh, dass mein Vater die heutige, von einer antideutsch-faschistischen Regierung geprägte Schuldkultur nicht mehr miterleben muss. Er hätte sehr darunter gelitten, dass sich die Gesinnungsdiktatur wiederholt, in einem neuen Gewandt.

Auch die heutige, immer stärkere Begrenzung jeglicher Freiheiten, ganz besonders unserer Meinungsfreiheit, blieb ihm zum Glück erspart.

Denn mein Vater war sehr glücklich über die heutzutage unvollstellbaren Freiheiten der westdeutschen Nachkriegszeit unter den echten sozialdemokratischen Kanzlern Willi Brandt und Helmut Schmidt. Seit dem Mauerfall ist von diesen Freiheiten nichts mehr übrig geblieben.

Gerade die jugen Menschen meiner Nachkriegs-Generation waren dafür bekannt, dass sie gegen das System rebellierten und für ihre Freiheit kämpften. Im Gegensatz dazu sind es gerade heutzutage die jungen Leute, die am meisten unkritisch und systemkonform sind.

Die heutige Zensur, die fortschreitende Begrenzung durch immer mehr Gesetze und die vermummten Schlägertrupps der Antifa erinnern mich immer mehr an den beginnenden Nationalsozialismus, nur in einem neuen Gewandt. Auch damals wurden Menschen, die nicht systemkonform waren, getrennt.

Teile und herrsche!

Die Schatzkiste meines Vaters

Als ich das Haus meiner Eltern räumte, fand ich eine alte „Schatzkiste“ meines Vaters.

Ich fand leider keinen Schlüssel dazu und musste sie aufbrechen. Ich erwartete wertvolle Dinge in dem Tresor und war ein wenig enttäuscht, als ich den Inhalt sah.

Anstatt der erhofften Wertgegenstände fand ich ein paar alte Fotos und einige Edelweiß-Abzeichen. Auf den Fotos waren junge Männer mit kurzen schwarzen Hosen, Hemden und Halstüchern. Unter ihnen waren auch Mädels mit dunklen Röcken, weißen Hemden und dunklen Halstüchern.

Da ich deren Kleidung als Uniform ansah, dachte ich, es wären Fotos von der Hitlerjugend. Deshalb warf ich sie alle weg. Ich wusste zu der Zeit noch nicht, dass bei der Hitlerjugend Mädchen und Jungen streng getrennt waren.

Die Nazi-Phobie moderner Zeiten hat seinen Tribut gekostet. Ich habe vorschnell wertvolle Zeit-Dokumente der Edelweißpiraten in den Müll geschmissen, weil ich sie für Fotos von der Hitlerjugend hielt.

Auch die Edelweiß-Abzeichen warf ich einfach weg!

Ich wunderte mich damals über diese Edelweiß-Abzeichen. Mein Vater trug doch niemals Trachten. Statt dessen zog er lieber Jeans, karierte Flanell-Hemden und Nietengürtel an. Was wollte er also mit diesen Edelweiß-Abzeichen, die ich nur von bayrischen Trachtenmoden her kannte.

Der Inhalt dieses kleinen Tresors musste für meinen Vater sehr wertvoll gewesen sein. Aber ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, was an ein paar uralten Fotos und Abzeichen so besonders für ihn war. Keine drei Jahre später tat es mir leid, dass ich den Inhalt dieses „Schatzkistchens“ einfach im Müll entsorgt habe.

Das Vermächtnis meines Vaters, dem Edelweißpiraten

Glückliche und freie Nachkriegzeit

Mein Bruder und ich haben unsere extreme Freiheitsliebe von unserem Vater übernommen. Ich habe diese Freiheitsliebe widerum an meine Tochter weiter gegeben. Sie ist nicht ganz so extrem eingenordet, wie ihre Altersgenossen.

Und ich liebe Abenteuer und gehe auch gerne Risiken ein, genau wie mein Vater. Es gibt keine Freiheit ohne Risiko. Sicherheit ist eine sehr teure Illusion! Denn Schein-Sicherheit kostet die Freiheit und Unmengen an Geld und erschafft totalitäre Systeme. Die einzige Sicherheit auf dieser Welt ist die Tatsache, dass rein gar nichts sicher ist. Und der Tod ist sicher.

Mein Bruder und ich lehnen das Spiel Herrschaft/Knechtschaft ab. Denn auch wir beide sind Vollblut-Anarchisten, wie unser Vater.

Wir wollen die Gemeinschaft von Kameraden und Freunden und keine Herren oder Knechte.

Sobald wir mit unserem Vater allein waren, war das für uns das Paradies auf Erden. Wir hatten bei ihm alle Freiheiten, die man sich nur wünschen kann.

Die Liebe zu meiner Mutter

Bis zu seinem letzten Atemzug hat mein Vater meine Mutter bedingungslos geliebt. Er hat meine Mutter beinahe wie eine Göttin verehrt und war ihr immer absolut loyal gegenüber. Die Ehe meiner Eltern währte 67 Jahre lang, bis mein Vater starb.

Meinen Vater störte es nicht, dass meine Mutter beim Bund deutscher Mädchen und dem Nazi-Regime eher positiv gegenüber eingestellt war.

Denn sie war dennoch ein Mensch, der keinem anderen Menschen Leid zufügen konnte und wollte.

Überhaupt interessierte es in der Nachkriegszeit niemanden, den ich kannte, ob jemand einmal für oder gegen Hitler war. Der Krieg war endlich vorbei und man hatte wieder genug zum Essen. Das war alles, was damals zählte.

Meine Mutter versuchte meinen Bruder und mich zum Kadavergehorsam zu erziehen. Deshalb zitierte sie gerne die Worte von Adolf Hitler: „Nur wer gehorchen gelernt hat, kann später mal befehlen.“

Doch schon als Kind wussten mein Bruder und ich, dass wir beides nicht wollten. Wir wollten weder gehorchen, noch befehlen. Wir wollten weder Herr noch Knecht sein.

Der Einfluss unseres Vater war da zum Glück viel stärker.

Die heutige Naziphobie

Je länger der Krieg vorbei war, umso stärker wurde auch die Naziphobie in Deutschland.

Jede Sichtweise und jedes Argument, das der Regierung nicht in den Kram passt, wird heutzutage mit der Nazikeule kurz und klein geschlagen.

Dabei interessiert es reichlich wenig, ob die Gegenargumente logisch und vernünftig sind. Denn sobald das emotions-überladene Reizwort „Nazi“ fällt, setzt heutzutage bei den meisten Menschen jeglicher gesunde Menschenverstand aus, besonders in Deutschland.

Bei dem Wort Nazi geraten besonders junge Menschen in eine regelrechte Hysterie, die ihr gesundes Unterscheidungsvermögen völlig lahm legt. Dann wird erst gar nicht mehr geprüft, ob diese Bezeichnung tatsächlich berechtigt ist.

Ich stelle ich mir so ähnlich die Hexenverfolgung im Mittelalter vor. Irgendein Depp schrie laut „Hexe“ und schon wurde man ergriffen, gefoltert und endete auf dem Scheiterhaufen.

Dabei hat das Wort Nazi heutzutage rein gar nichts mehr mit dem Nationalsozialismus zu Hitlers Zeiten zu tun.

Irgendein Depp passt etwas nicht in sein engstirniges Weltbild. Schon schreit er laut „Nazi“ und man glaubt sich berechtigt, Gewalt gegen diese Menschen auszuüben. Genau aus so einem engstirnigen Zeitgeist entstand in früheren Zeiten die Inquisition und der Nationalsozialismus.

„Teile und herrsche“ funktioniert seit der Römerzeit. Ich kann jedem Menschen nur raten, ganz genau darauf zu achten, wer die wirklichen „Volksverhetzer“ sind. Wer wirklich dazu aufruft, ihre Mitmenschen mit einer anderen Gesinnung zu bekämpfen. Solche Methoden leuten immer ein neues totalitäres Regime ein.

Was hat das Thema Edelweißpiraten auf einem Gesundheitsblog zu suchen?

Ich weiß, dass Gesundheit Gleichgewicht bedeutet. Krankheit ist ein Ungleichgewicht, egal ob physisch oder psychisch.

Alle Extreme sind ein Ungleichgewicht und machen krank. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um deinen Körper, deinen Geist oder um die Gesellschaft handelt. Es ist egal, ob extrem Links oder extrem recht, extrem oben oder extrem unten.

Es ist krank, Menschen zu verurteilen, die niemals einem anderen Menschen Unheil zugefügt haben, selbst wenn man ihre Sichtweise nicht teilt. Ich sehe jede andere Sichtweise als Erweiterung meines eigenen Horizonts. Gegen anders denkende Menschen Gewalt auszuüben ist in meinen Augen geisteskrank!

Das können wir von den Edelweißpiraten lernen. Sie lehnten ein extremes Regime ab, ohne selber extrem zu werden und im Gegenzug alles Deutsche abzulehnen oder gar zu bekämpfen.

Die Edelweißpiraten kämpften für ihre Freiheit. Aber das taten sie weniger mit Gewalt, als dadurch, dass sie ihre Freiheit lebten, obwohl allein das schon im Dritten Reich verboten war.

Dank meinem Vater bin ich im Gleichgewicht. Trotz meines Alters bin ich immer noch kerngesund. Ich habe meine Mitte gefunden. Das können die wenigsten jungen Menschen von sich behaupten.

Vor einigen Jahren versuchte sich noch jede Partei die politische Mitte (weder links noch rechts) auf die Fahnen zu schreiben. Aber heute ist jeder, der die gesunde Mitte vertritt und nicht kadaver-tolerant ist, schon ein Nazi.

Im Dritten Reich wurde bedingungsloser Kadavergehorsam gefordert, in heutigen Zeiten wird bedingungslose, gehorsame Kadaver-Toleranz gefordert. Wo ist da bitteschön der große Unterschied???

Stell dir einmal vor jemand herrscht und keiner gehorcht!

Glücklich sein!

Was ich am meisten an meinem Vater zu schätzen wusste, war seine Fähigkeit, glücklich zu sein und Freude zu verbreiten. Er brauchte so wenig dafür! Er strotzte regelrecht vor Lebensfreude. Mein Vater hat jeden Menschen mit seiner umwerfend guten Laune angesteckt. Er war ein Mensch, in dessen Anwesenheit sich beinahe jeder wohl fühlte.

Mein Artikel Glücklich sein – So einfach ist das! wäre niemals ohne meinen Vater entstanden.

Glückliche Menschen sind gesunder!

Gedenken an die Edelweißpiraten

Dies alles schreibe ich in liebevollen Gedenken an meinen Vater und an die Edelweißpiraten. Sie sollten niemals vergessen werden.

Aber weil sie Proletarier waren, wurden sie Jahrzehnte lang einfach ignoriert und tot geschwiegen.

Sie erhielten niemals Entschädigungen für die Leiden ihrer Verfolgung durch die Nazis. Und sie wurden viel zu wenig geehrt für ihren tapferen Widerstand gegen das Nazi-Regime. Und das alles, weil sie „nur“ zur Arbeiterklasse gehörten.

Als man sich dann endlich wieder an sie erinnerte, waren die meisten Edelpiraten schon gestorben oder schon Greise. Damit gingen fast alle wertvollen Zeitzeugen der größten Widerstandbewegung gegen das Nazi-Regime für immer verloren.

Manchmal befürchte ich sogar, dass es so einigen machtgierigen Menschen nicht in den Kram passt, dass dieser Widerstand gegen Hitler in Erinnerung bleibt. Denn die Edelweißpiraten passen so gar nicht in das Bild der „bösen deutschen Nazis“, die an allem schuld sind.

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